Nr. 3/2016
11. Oktober 2016    
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Willkommen zur Ausgabe Nr. 3 / 2016 der EBR-News  

Inhalt

  1. Brexit: Populismus trifft auf Realität
  2. Schwexit: Populismus trifft auf Realität
  3. Entsenderichtlinie: Kritik aus Osteuropa
  4. Konflikte um Standorte und Fusionen
  5. Aktuelle Gerichtsverfahren
  6. Neugründung von Europäischen Betriebsräten
  7. Update von EBR-Vereinbarungen
  8. Neue SE-Umwandlungen
  9. Der Blick über Europa hinaus
10. Interessante Webseiten
11. Neue Publikationen
12. Die EWC Academy: Beispiele aus unserer Arbeit
13. Aktuelle Seminartermine
14. Impressum

 

  1. Brexit: Populismus trifft auf Realität

Das Vereinigte Königreich bleibt Vollmitglied der EU – auf unabsehbare Zeit

 

Am 23. Juni 2016 votierte in einer rechtlich nicht bindenden Volksbefragung eine knappe Mehrheit für den Austritt aus der EU. Jedoch will die Bevölkerung in Schottland, Nordirland und Groß-London in der EU bleiben. Bislang ist völlig unklar, wann und wie der Austritt stattfinden soll.

 

Das Austrittsverfahren beginnt mit einem Antrag nach Artikel 50 des Vertrages über die Europäische Union, der zwei Jahre für die Austrittsverhandlungen vorsieht. Erst danach endet die Mitgliedschaft. Dieser Antrag ist bisher nicht gestellt worden. Hierfür gibt es politische, wirtschaftliche und juristische Gründe. Derzeit laufen zwei Gerichtsverfahren, die einen solchen Antrag bis auf weiteres blockieren.

  • Das Oberste Zivilgericht in London hat für den 13. und 17. Oktober 2016 Anhörungen anberaumt. Es muss entscheiden, ob die Premierministerin den Artikel 50 selbst auslösen kann oder ob sie vorher das Parlament um Zustimmung bitten muss. Das Urteil wird Ende 2016 erwartet und kann vor dem Obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs angefochten werden.
  • Der Oberste Gerichtshof in Belfast verhandelte am 4. Oktober 2016 erstmals über die Frage, ob die britische Zentralregierung in London das Regionalparlament von Nordirland um Zustimmung zum Artikel 50 bitten muss.

Jedes dieser Gerichtsverfahren hat das Potential, den Brexit zu stoppen. Es gibt weder im Unterhaus in London noch im Parlament in Belfast eine Mehrheit für den Austritt aus der EU. Auch Abgeordnete des britischen Oberhauses haben zu erkennen gegeben, dass sie alle Möglichkeiten nutzen werden, den Artikel 50 so lange wie möglich zu blockieren.

 

Brexit bedeutet Zerfall des Vereinigten Königreichs

 

Die schottische Regierung bereitet ein neues Unabhängigkeitsreferendum vor und begann Gespräche mit den EU-Institutionen über den Verbleib Schottlands in der EU. In Wales gab es Demonstrationen für eine Unabhängigkeit und den Verbleib in der EU. In London fordert eine Petition die Unabhängigkeit als Stadtstaat wie Singapur, um dann Mitglied der EU bleiben zu können.

 

Die neue Premierministerin Theresa May will Artikel 50 erst beantragen, wenn "eine gesamtbritische Linie" für die Verhandlungen mit der EU vereinbart wurde. Wie eine solche Linie aussehen kann, ist bislang völlig unklar. Einige Politiker fordern einen "harten Brexit", andere wollen nach dem Vorbild von Norwegen im Europäischen Binnenmarkt bleiben. Oppositionspolitiker fordern ein zweites Referendum über die Ausgestaltung des Brexit oder eine vorgezogene Neuwahl des Parlaments. Am 2. Oktober 2016 wurde der angekündigte Termin für den Austrittsantrag um drei Monate verschoben, von Ende 2016 auf Ende März 2017. Es sprechen immer mehr Anzeichen dafür, dass der Brexit noch weiter verschoben und am Ende womöglich niemals stattfinden wird.

 

Kommentar aus gewerkschaftlicher Sicht

Aktuelle Berichte zum Brexit

 

Was kommt auf Europäische Betriebsräte zu?

 

Hat der Brexit juristische Konsequenzen für Europäische Betriebsräte, SE-Betriebsäte und Besondere Verhandlungsgremien? Auf dem Parteitag der Konservativen in Birmingham sagten Regierungsvertreter am 2. Oktober 2016, dass geltende Arbeitsgesetze durch den Brexit nicht angetastet werden. Sollte diese Zusage eingehalten werden, bleibt wohl auch das britische EBR-Gesetz (TICER 2010) bestehen. Die EWC Academy hat die wichtigsten Informationen auf einer Brexit-Sonderseite zusammengestellt.

 

Dossier für Europäische Betriebsräte zum Brexit

  2. Schwexit: Populismus trifft auf Realität

Riskiert die Schweiz die Guillotine-Klausel?

 

In der Schweiz spitzen sich gerade die Diskussionen über das künftige Verhältnis mit der EU zu. Das Land könnte den Zugang zum Europäischen Binnenmarkt verlieren. Am 9. Februar 2014 hatte die Bevölkerung bei einem Referendum mit knapper Mehrheit (50,3%) entschieden, die Zuwanderung aus der Europäischen Union zu begrenzen. Innerhalb von drei Jahren, also bis zum 9. Februar 2017, muss die Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung" umgesetzt sein. Sie verletzt das Freizügigkeitsabkommen mit der EU, deren Bürger dann nicht mehr ohne weiteres in die Schweiz umziehen können, um dort zu arbeiten.

 

Um von den Vorteilen des Binnenmarktes zu profitieren, hatte die Schweiz 1999 und 2004 umfassende bilaterale Verträge mit der EU geschlossen. Große Teile der EU-Gesetzgebung sind auf diese Weise in das nationale Recht der Schweiz gelangt. Um "Rosinenpickerei" durch die Schweiz zu verhindern, sind diese Verträge durch eine "Guillotine-Klausel" miteinander verbunden: wird nur ein winziger Teil der Verträge gekündigt, sind sechs Monate später automatisch alle anderen hinfällig. Sollte es bei der Personenfreizügigkeit nicht zu einer Einigung mit der EU kommen, würde daher am 9. August 2017 rund um die Eidgenossenschaft eine Zollmauer errichtet. Die Schweiz hätte dann ihren "Schwexit" und müsste ihr Verhältnis zur EU komplett neu aushandeln, was Jahre dauern würde. Ab diesem Tag würden auch wieder Grenzkontrollen stattfinden, so wie vor dem Beitritt der Schweiz zum Schengener Abkommen im Dezember 2008 (siehe Bericht in den EBR-News 3/2008).


"Das wäre wirtschaftlicher Selbstmord"

Die Schweiz steckt in einem ähnlichen Dilemma wie das Vereinigte Königreich. Auch 31 Monate nach dem Referendum gibt es immer noch keine Lösung. Wer dabei besonders viel zu verlieren hat, zeigen die Statistiken: 58% der Schweizer Exporte und 80% der Importe entfallen auf den Handel mit der EU. Umgekehrt exportiert die EU 8% ihrer Waren in die Schweiz und bezieht 5% ihrer Importe von dort.

 

Im Oktober 2015 wurde die Volksinitiative RASA eingereicht: "Raus aus der Sackgasse! Verzicht auf die Wiedereinführung von Zuwanderungskontingenten". Mit ihr soll das Ergebnis des Referendums von 2014 rückgängig gemacht werden. Die Sozialdemokratische Partei fordert eine Volksabstimmung für den Fall einer Kündigung der bilateralen Verträge mit der EU. Nach einer repräsentativen Umfrage sind 74% der Schweizer für deren Beibehaltung.

 

Pressebericht zum Thema

Die Webseite der RASA-Volksinitiative

 

Pokerspiel in der Kroatien-Frage

 

Mit dem EU-Beitritt Kroatiens am 1. Juli 2013 wurden die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU automatisch auf Kroatien ausgeweitet, mit Ausnahme des Freizügigkeitsabkommens. Die Schweiz hatte mit Kroatien eine Übergangsregelung ausgehandelt, das Abkommen aber nie ratifiziert. Nach dem Referendum vom 9. Februar 2014 wollte sie das Kroatien-Abkommen solange nicht weiter behandeln, bis eine Grundsatzlösung zur Zuwanderungspolitik mit der EU vorliegt. Die EU schloss daraufhin die Schweiz vorläufig aus dem Forschungsprogramm Horizont 2020 aus. Es gilt als weltweit wichtigstes Innovationsprogramm mit einem Budget von 80 Milliarden €.

 

Allerdings wurde kurzfristig eine Notlösung gefunden. Seit 1. Juli 2014 werden kroatische Bürger in der Schweiz wie die Staatsangehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten behandelt – so als wäre das Kroatien-Abkommen bereits ratifiziert. Dafür gewährt die EU der Schweiz übergangsweise die Teilnahme an Horizont. Sollte das Kroatien-Protokoll jedoch bis Ende 2016 immer noch nicht ratifiziert sein, wird die Schweiz am 1. Januar 2017 endgültig vom Forschungsprogramm ausgeschlossen. Am 4. März 2016 unterzeichnete die Schweiz in Brüssel das Kroatien-Protokoll, allerdings soll es erst in Kraft treten, wenn die EU auf die Kündigung der bilateralen Verträge verzichtet.

 

Keine Änderungen für Europäische Betriebsräte

 

Die Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat gilt in der Schweiz nicht. Sie ist kein Teil der bilateralen Verträge und das schweizerische Parlament lehnte im Juni 2012 die freiwillige Umsetzung ab (siehe Bericht in den EBR-News 2/2012). Insgesamt unterliegen 110 schweizerische Unternehmen mit ihren Niederlassungen innerhalb der EU dieser Richtlinie, wovon 50 bereits einen EBR gegründet haben. Über 70% davon haben Delegierte aus der Schweiz einbezogen, obwohl es hierzu keine rechtliche Verpflichtung gibt. Diese Zahlen stammen aus einem Forschungsprojekt der Universität Zürich.

 

 Forschungsprojekt über Europäische Betriebsräte in der Schweiz

  3. Entsenderichtlinie: Kritik aus Osteuropa

Europäische Kommission will Reform weitertreiben

 

Am 20. Juli 2016 wies die Europäische Kommission die Einwände von Parlamenten aus elf EU-Ländern gegen die geplante Reform der Entsenderichtlinie zurück. Während die Parlamente aus fünf Ländern in Westeuropa die Vorschläge ausdrücklich unterstützten, wollten die Parlamente aus zehn osteuropäischen Ländern und die rechtsliberale Mehrheit in Dänemark die Reform stoppen. Auch Arbeitgeberverbände in West und Ost sind dagegen. Die Gewerkschaften begrüßen zwar die Reform, kritisieren sie aber als nicht weitgehend genug.

 

Wenn ein Drittel der nationalen Parlamente die sogenannte Subsidiaritätsrüge ("gelbe Karte") auslöst, muss die Europäische Kommission die Einwände prüfen und beschließen, ob sie ihren Vorschlag beibehält, ändert oder zurückzieht. Dieser Beschluss muss begründet werden. Kern der Kritik ist aber nicht ein Verstoß gegen die Subsidiarität, sondern die politische Ablehnung des gesamten Projekts.

 

Presseerklärung der Europäischen Kommission

Beispiel: die Einwände des polnischen Parlaments

Stellungnahme des DGB

Pressebericht über die politischen Hintergründe

 

Ursache sind die Lohnunterschiede zwischen West und Ost

 

Am 8. März 2016 hatte die Europäische Kommission ihre Vorschläge vorgelegt, um die EU-Richtlinie von 1996 zu reformieren. Es soll der Grundsatz des gleichen Arbeitsentgelts für die gleiche Arbeit am gleichen Ort gelten. Mobile Arbeitnehmer sollen europaweit gegen Ausbeutung geschützt werden.

 

Zwischen 2010 und 2014 ist die Anzahl der Entsendungen innerhalb der EU um fast 45% gestiegen. 2014 wurden 1,9 Mio. Arbeitnehmer in andere Mitgliedstaaten entsandt, die meisten nach Deutschland, Frankreich und Belgien. Der größte Teil davon kommt aus Polen. Künftig sollen sie einen Rechtsanspruch auf die üblichen Bedingungen des aufnehmenden Landes erhalten, derzeit steht ihnen nur der Mindestlohn zu. Die osteuropäischen Länder fürchten, dass der "Standortvorteil" niedriger Löhne schwindet.

 

Die Vorschläge der Europäischen Kommission im Detail

Häufig gestellte Fragen zur Entsendung

 

Die Frage hat bereits mehrfach auch Gerichte beschäftigt. Im Dezember 2007 urteilte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg über zwei Fälle (siehe Bericht in den EBR-News 4/2007). 2003 hatte die Reederei Viking Line eine Ostsee-Fähre von Finnland nach Estland umgeflaggt und die Besatzung durch niedriger bezahlte Arbeitnehmer ausgetauscht. 2004 errichtete das lettische Unternehmen Laval Schulgebäude in der Nähe von Stockholm und zahlte seine lettischen Beschäftigten nach lettischen Tarifen. In beiden Fällen organisierten die Gewerkschaften Arbeitskampf- und Boykottmaßnahmen. Vor Gericht ging es um die Frage, ob Arbeitskämpfe nach EU-Recht erlaubt sind, um ausländische Firmen zu zwingen, die vor Ort geltenden Flächentarifverträge einzuhalten.

 

Im Februar 2014 verurteilte das oberste Arbeitsgericht von Dänemark ein deutsches Unternehmen, den dänischen Flächentarifvertrag anzuwenden und nachträglich höhere Löhne auszuzahlen. Das deutsche Unternehmen hatte polnische Maler angeworben und nach Dänemark entsandt, um dort ein Hotel zu sanieren (siehe Bericht in den EBR-News 1/2014). Im März 2013 reichte die belgische Regierung eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission gegen Sozialdumping in deutschen Schlachthöfen ein, verursacht durch Niedriglöhne osteuropäischer Leiharbeiter (siehe Bericht in den EBR-News 2/2013).

  4. Konflikte um Standorte und Fusionen

US-Konzern will belgischen Standort schließen

 

Am 2. September 2016 gab der Baumaschinenhersteller Caterpillar die Schließung seines Werkes in Karolingen (Belgien) im April 2017 bekannt. Dort produzieren 2.200 Beschäftigte Bagger. Schon im Jahr 2013 wurden 1.400 Arbeitsplätze abgebaut. Um das Werk zu retten, akzeptierte die verbleibende Belegschaft Lohneinbußen. 2015 konnte Caterpillar an diesem Standort 4 Mio. € Gewinn machen.

 

Nach der Ankündigung stand die Produktion eine Woche still. Da in der strukturschwachen Region mit 12% Arbeitslosigkeit zusätzlich 5.000 Arbeitsplätze bei Zulieferern bedroht sind, schlug die Nachricht hohe politische Wellen. Die Europäische Kommission in Brüssel richtete eine Task Force ein und das belgische Parlament kam zu einer Sondersitzung zusammen. Das Management von Caterpillar lehnte es jedoch ab, mit den Abgeordneten zu diskutieren. Einziger Gesprächspartner seien Betriebsrat und Gewerkschaften am Standort.

 

Am 22. September 2016 begann mit einer Sondersitzung des Betriebsrates die "procédure Renault", ein Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren bei Massenentlassungen, das nach der Schließung des Renault-Werkes in Vilvoorde bei Brüssel 1998 eingeführt wurde und auf einer EU-Richtlinie beruht. Der belgische Arbeitsminister Kristiaan Peeters schlug am 29. September 2016 eine Verschärfung dieses Gesetzes vor. Damit könnte auch die EU-Richtlinie erneut auf die politische Tagesordnung kommen. Im Sommer 2015 war eine geplante Reform noch gescheitert (siehe Bericht in den EBR-News 4/2015).

 

Presseerklärung der Gewerkschaften zur Werksschließung

Die europaweite Strategie der Gewerkschaften bei Caterpillar

Analyse: Der Fall Caterpillar und das EU-Arbeitsrecht

 



Französische Regierung rettet Traditionswerk

 

Am 7. September 2016 kündigte die zentrale Leitung von Alstom die Schließung des Standortes in Belfort mit 480 Beschäftigten für 2018 an. Die Fabrik gilt als Herzstück der französischen Bahnindustrie. In der Stadt zwischen Elsass und Burgund werden seit 1879 Lokomotiven gebaut und heute die Antriebsmaschinen für den französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV.

 

In der Politik schlug die Ankündigung hohe Wellen und führte zur Intervention des Staatspräsidenten. Nach zwei Wochen intensiver Gespräche mit der Regierung wurde am 2. Oktober 2016 ein alternativer Plan vorgelegt, der den Standort sichern soll. Die Regierung wird zusätzliche Aufträge der Staatsbahn SNCF finanzieren. Eine Sondersitzung des Europäischen Betriebsrats, in der am 4. Oktober 2016 das Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren zur Standortschließung beginnen sollte, wurde abgesagt. Nach dem Verkauf der Energiesparte von Alstom an General Electric verfügt die Transportsparte seit November 2015 über eine neue EBR-Vereinbarung (siehe Bericht in den EBR-News 4/2015).

 

Pressebericht über die Rettung

 



Größte Brauereifusion der Welt: EBR warnt vor Risiken

 

Am 28. September 2016 stimmten die Aktionäre der Brauereikonzerne Anheuser-Busch InBev (150.000 Arbeitnehmer) und SABMiller (70.000 Arbeitnehmer) ihrer Fusion zu, die am 10. Oktober 2016 vollzogen wurde. Für 79 Mrd. £ übernimmt die größte Biergruppe der Welt die zweitgrößte. Der Europäische Betriebsrat von SABMiller gab am 11. Juli 2016 seine Stellungnahme ab, die als Anhang mit den offiziellen Börsendokumenten publiziert wurde. Diese enthalten auch einen Überblick der erwarteten Arbeitsplatzverluste (3% der Belegschaft oder 5.500 Stellen).

 

Anheuser-Busch Inbev hat seinen Sitz in Brüssel und vertreibt Marken wie Beck's, Budweiser, Stella Artois, Corona oder Löwenbräu. Die Zentrale von SABMiller befindet sich in der Nähe von London und wird bald aufgelöst. Die Wurzeln liegen in Südafrika und Australien mit Marken wie Miller oder Foster's und einer starken Präsenz in Schwellenländern. Die osteuropäischen Brauereien von SABMiller sollen verkauft werden.

 

Der EBR von SABMiller beschreibt die Fusion in seiner Stellungnahme als feindliche Übernahme. Für die europäischen Einheiten von SABMiller sei die Unternehmenskultur von AB InBev ein Kulturschock und eine Bedrohung für Arbeitsplätze und Beschäftigungsbedingungen. SABMiller hat seit 2006 einen EBR nach ungarischem Recht (siehe Bericht in den EBR-News 3/2006). Bei AB Inbev gibt es einen EBR nach belgischem Recht seit 1996. Für eine Übergangszeit arbeiten beide parallel weiter, wobei der EBR von SABMiller insbesondere beim Verkauf der Tochtergesellschaften in Mittel- und Osteuropa beteiligt werden soll.

 

Bericht über die Fusion

Die Stellungnahme des EBR im Wortlaut

  5. Aktuelle Gerichtsverfahren

EBR-Gerichtsverfahren: Premiere in Österreich


Zum ersten Mal seit Bestehen der EBR-Gesetzgebung muss ein Gericht in der Alpenrepublik über eine Klage wegen Verletzung der Unterrichtungs- und Anhörungsrechte eines EBR entscheiden. Der EBR des Verpackungsherstellers Mayr-Melnhof reichte am 1. Juni 2016 Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien ein.

 

In zwei Fällen wurden dem Europäischen Betriebsrat 2015 Sondersitzungen verweigert: im Rahmen der Schließung des Werkes Gunskirchen in Oberösterreich und später bei der Akquisition von sieben französischen Produktionsstandorten. Die zentrale Leitung war nur bereit, den EBR im Rahmen einer Videokonferenz durch nachgeordnete Manager und nicht durch den Vorstand zu informieren. Zudem hätte der Zukauf von Fabriken - anders als eine Werksschließung - keine negativen Auswirkungen auf die Arbeitnehmer und wäre daher kein außerordentlicher Umstand im Sinne der EBR-Gesetzgebung, so die Meinung der zentralen Leitung.

 

Der EBR hatte sich zu der Klage durchgerungen, weil seine Unterrichtungs- und Anhörungsrechte schon seit Jahren systematisch verletzt werden, beispielsweise 2012 bei der Schließung des Werkes Liverpool (siehe Bericht in den EBR-News 2/2012). Die zentrale Leitung reagierte auf die Klage, indem sie am 29. Juni 2016 die EBR-Vereinbarung aufkündigte. Sie gilt allerdings noch bis Ende 2017 weiter. Vor Gericht sind jetzt die folgenden drei Fragen zu klären, die für alle Europäischen Betriebsräte von grundlegender Bedeutung sind:

 

1. Genügt eine Videokonferenz dem Anspruch einer Sondersitzung?

2. Wer ist Gesprächspartner des EBR, der Vorstand oder nachgeordnete Managementebenen?

3. Ist der Erwerb von Fabriken ein außerordentlicher Umstand im Sinne des EBR-Rechts?

 



Welches Gericht ist bei einer SE-Klage zuständig?

 

Am 30. Juni 2016 lehnte das Arbeitsgericht Berlin in erster Instanz eine Klage der Gewerkschaft ver.di gegen den Online-Modeversender Zalando SE ab. Das Gericht erklärte sich für nicht zuständig. Im Zuge der SE-Umwandlung von Zalando war die Gewerkschaft 2013 bei der Besetzung des Besonderen Verhandlungsgremiums (BVG) entgegen der gesetzlichen Vorgabe nicht berücksichtigt worden. Die Klage zielt darauf, die SE-Beteiligungsvereinbarung für unwirksam erklären und neu verhandeln lassen (siehe Bericht in den EBR-News 4/2015).

 

Besonders brisant ist die Frage auch, weil die Arbeitnehmerseite nur ein Drittel des Aufsichtsrates von Zalando besetzen kann, obwohl zum Zeitpunkt der SE-Umwandlung schon ein Rechtsanspruch auf die paritätische Mitbestimmung bestand. Die Eintragung einer SE erfolgt im Handelsregister nach Ende der Verhandlungen mit dem BVG. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Berlin ist für eine Klage gegen die ordnungsgemäße Eintragung einer SE daher ein Zivil- und kein Arbeitsgericht zuständig.

 

Unabhängig von der gerichtlichen Zuständigkeit ist der Sachverhalt von grundsätzlicher Bedeutung für das SE-Recht und die Corporate Governance mitbestimmter Unternehmen. Auch das EBR-Recht ist indirekt betroffen. Bisher gibt es nämlich noch keine Rechtsprechung dazu, welche Konsequenzen die fehlerhafte Zusammensetzung eines BVG hat.

 

Pressemitteilung des Gerichts

Hintergrundbericht über den Rechtsstreit

Bericht über den SE-Betriebsrat von Zalando

 



US-Unternehmen verliert Rechtsstreit in Berlin


Am 15. Juli 2016 entschied das Arbeitsgericht Berlin über die Klage des deutschen Betriebsrates von Groupon, einen EBR "kraft Gesetz" zu installieren. Das E-Commerce-Unternehmen aus Chicago hat über 10.000 Beschäftigte weltweit. Am 22. Juli 2015 hatten die deutschen und französischen Betriebsräte die Errichtung eines EBR beantragt. Der Arbeitgeber bestätigte den Eingang dieses Antrages, blieb aber in den folgenden sechs Monaten untätig. Es gab keine Einladung zu einer Sitzung des Besonderen Verhandlungsgremiums (BVG).

 

Am 17. Februar 2016 teilte der deutsche Betriebsrat dem Arbeitgeber mit, dass nach Ablauf der Frist ein EBR kraft Gesetz zu errichten sei und wählte ein EBR-Mitglied. Der Arbeitgeber war jedoch der Meinung, dass nicht sechs Monate, sondern drei Jahre maßgeblich seien. Er habe schriftlich erklärt, dass er verhandeln wolle. Das Gericht war der Meinung, ein Schriftwechsel reicht nicht aus, vielmehr müssen konkrete Schritte zur Einberufung eines BVG erkennbar sein. Bei Untätigkeit der zentralen Leitung ist nach sechs Monaten ein EBR kraft Gesetz zu bilden. Daher wurde Groupon verpflichtet, unverzüglich zur konstituierenden Sitzung des EBR einzuladen.

 

Ein Nebeneffekt des Urteils: Groupon kann jetzt nicht mehr frei entscheiden, nach welchem nationalen Recht der EBR gebildet wird. Hätte das Management früher reagiert, wäre die Wahl einer anderen Niederlassung innerhalb der EU, z. B. eines britischen Standortes, möglich gewesen. Das Gericht hat jetzt aber festgelegt, dass in diesem Fall deutsches Recht gilt und der EBR seinen Sitz in Berlin hat.

  6. Neugründung von Europäischen Betriebsräten

Britische EBR-Vereinbarung trotz Brexit-Referendum

 
Am 28. Juni 2016, fünf Tage nach dem Brexit-Referendum, wurde bereits wieder ein Europäischer Betriebsrat nach britischem Recht gegründet. Der Kosmetikkonzern Coty, größter Parfümhersteller der Welt mit Marken wie Davidoff und Joop, hatte die Kosmetiksparte des US-Konzerns Procter & Gamble mit der Shampoo-Marke Wella 2015 aufgekauft. Coty hat seinen Sitz in New York, gehört aber der deutschen Unternehmerfamilie Reimann. Bisher steuerte sie den Konzern von Ludwigshafen aus mit der Donata Holding SE. Nach Übernahme von Wella wurde die Beteiligungsstruktur neu geordnet.

 

Am 4. April 2016 hatte sich das Besondere Verhandlungsgremium (BVG) konstituiert und schon nach knapp drei Monaten ein Ergebnis erzielt. Die neue EBR-Vereinbarung orientiert sich weitgehend an der SE-Vereinbarung der Donata Holding SE, wo 2007 ein SE-Betriebsrat nach deutschem Recht gebildet wurde, der jetzt aufgelöst wird. Er hatte 2012 einen Rechtsstreit über Anhörungsrechte nach SE-Recht geführt, bis heute der einzige Fall in ganz Europa (siehe Bericht in den EBR-News 1/2012). Vorher hatte Coty von 1996 bis 2007 einen EBR auf "freiwilliger" Basis, der nicht der EU-Richtlinie unterlag.

 

Der neue EBR hat 24 Mitglieder aus 18 Ländern, darunter die Schweiz und Monaco. Pro Jahr gibt es eine Plenarsitzung mit dem Management und eine zweite interne Sitzung. Der engere Ausschuss mit sechs Mitgliedern tagt dreimal pro Jahr. Das Anhörungsverfahren ist genau strukturiert und mit Fristen hinterlegt. Bei Meinungsverschiedenheiten kann eine zweite Anhörungsrunde stattfinden, was typisch für die SE-Gesetzgebung ist und aus der SE-Vereinbarung übernommen wurde. Die EBR-Mitglieder haben in begründeten Fällen Zugang zu allen Standorten von Coty in Europa.

 



Italienischer Infrastrukturdienstleister gründet EBR


Am 8. Juli 2016 wurde in Rom eine EBR-Vereinbarung für das Unternehmen Autostrade unterzeichnet, das auf mehr als der Hälfte des italienischen Autobahnnetzes für die Mautgebühren zuständig ist und die beiden Flughäfen von Rom betreibt. Der wichtigste Anteilseigner ist die Familie Benetton, denen auch die italienische Textilkette gehört. Autostrade hat etwa 6.000 Beschäftigte, neben Italien vor allem in Lateinamerika und in Polen. Im  neuen EBR sind zwei Länder vertreten: Italien mit fünf Sitzen und Polen mit einem. Weitere Länder kommen hinzu, wenn Firmen aufgekauft oder neue Niederlassungen eröffnet werden. Anders als es das italienische EBR-Gesetz vorsieht, liegt hier der Vorsitz im EBR beim Arbeitgeber. Pro Jahr findet eine Sitzung statt.

 



US-Rüstungskonzern gründet EBR nach britischem Recht

 

Am 27. Juli 2016 wurde in Brüssel eine EBR-Vereinbarung für General Dynamics unterzeichnet. Es ist schon die zweite Neugründung eines EBR nach britischem Recht seit dem Brexit-Referendum. Der EBR unterliegt vollständig der neuen EU-Richtlinie. Die 3.100 Beschäftigten in Europa werden von 13 Delegierten aus sechs Ländern vertreten, davon sind fünf aus dem Vereinigten Königreich und drei aus Spanien.

 

Einmal pro Jahr findet eine Plenarsitzung in Brüssel statt. Dort werden neben EBR-typischen Themen auch soziale Verantwortung, Umweltschutz, Gleichbehandlung sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz diskutiert. Dem engeren Ausschuss gehören lediglich drei Mitglieder aus drei Ländern an. Er wird in außerordentlichen Fällen konsultiert, wenn innerhalb von 120 Tagen das gesamte Unternehmen oder 150 Beschäftigte in zwei Ländern von einer Umstrukturierung betroffen sind. Hierfür wurden genaue Fristen festgelegt: zwei Wochen für die Lieferung von Informationen der zentralen Leitung an den EBR und zehn Arbeitstage für die Ausarbeitung einer Stellungnahme nach einer außerordentlichen Sitzung. Die schriftliche Antwort der zentralen Leitung an den EBR beendet dann das gesamte Verfahren.

  7. Update von EBR-Vereinbarungen

Polnische EBR-Vereinbarung erneuert


Am 1. Juni 2016 wurde eine überarbeitete EBR-Vereinbarung für den schwedisch-polnischen Papierhersteller Arctic Paper am Sitz des Unternehmens in Posen unterzeichnet. Es ist bis heute die einzige EBR-Vereinbarung, die auf polnischem Recht beruht. Die Ursprünge des Unternehmens liegen in Schweden, aber nach der Übernahme der Papierfabrik Küstrin an der Oder ist dann auch die Konzernleitung nach Polen umgezogen. Arctic Paper hat heute 1.250 Beschäftigte an drei Produktionsstandorten.

 

Der EBR war im Dezember 2011 gegründet worden und unterliegt vollständig der neuen EU-Richtlinie. Die Anpassung der EBR-Vereinbarung ist eine Folge der Schließung der Papierfabrik Mochenwangen (Baden-Württemberg) Ende 2015. Nach dem Wegfall der beiden deutschen Mandate hat der EBR jetzt sieben Mitglieder: je drei aus Schweden und Polen und eines für die Vertriebsniederlassungen. Jedes Jahr finden zwei Plenarsitzungen statt, meist in Posen oder in Göteborg. Nach polnischer Rechtslage erhält der EBR ein Budget, um alle seine Kosten abzudecken. Es wurde in der EBR-Vereinbarung auf 25.000 € jährlich festgelegt. In außerordentlichen Fällen können zusätzliche Mittel bewilligt werden.

 



Neuzuschnitt des EBR nach der Fusion


Am 11. Juli 2016 wurde in Turin für Fiat Chrysler Automobiles (FCA) eine Ergänzung zur EBR-Vereinbarung unterzeichnet. Sie wurde ursprünglich für Fiat im März 1996 geschlossen und unterliegt nicht der EU-Richtlinie. Nach der Übernahme von Chrysler und Gründung von FCA mussten auch die Mandate im EBR neu verteilt werden. Die Vereinbarung unterliegt wie bisher italienischem Recht, obwohl FCA seinen Sitz in Amsterdam hat.

 

Die 83.000 Beschäftigten in Europa werden künftig von 24 Delegierten vertreten (vorher 20). Österreich, Belgien und Rumänien erhalten erstmals einen Sitz, Serbien einen Beobachterstatus. Neben Italien mit acht Mandaten sind die größten Länder Polen mit vier sowie Deutschland und Frankreich mit je zwei Delegierten. Plenarsitzungen finden einmal jährlich statt. Der geschäftsführende Ausschuss hat sechs Mitglieder, der Vorsitz liegt immer in Italien, wo es auch ein Sekretariat des EBR gibt. Nachdem die Produktion von Nutzfahrzeugen 2010 aus dem Fiat-Konzern herausgelöst worden war, hatte sich dort im November 2015 ein eigenständiger EBR konstituiert (siehe Bericht in den EBR-News 4/2015).

  8. Neue SE-Umwandlungen

SE-Verhandlungen gescheitert


Seit dem 7. März 2016 firmiert die Yachtwerft Abeking & Rasmussen in Lemwerder (bei Bremen) als SE. Bekannt ist das Familienunternehmen für Luxus- und Spezialschiffe und gilt als "Rolls-Royce" der Branche. Die Belegschaft in Deutschland ist in den letzten Jahren auf 500 gewachsen, die gesetzliche Schwelle zur Mitbestimmung. Gerade noch rechtzeitig konnte die SE-Umwandlung sicherstellen, dass Arbeitnehmer aus dem Aufsichtsrat ausgeschlossen sind.

 

Bei den Gesprächen mit dem Besonderen Verhandlungsgremium (BVG), an denen auch Vertreter der örtlichen IG Metall beteiligt waren, zeigte sich die zentrale Leitung wenig kompromissbereit. Am Ende der gesetzlichen Verhandlungsfrist von sechs Monaten war daher keine SE-Beteiligungsvereinbarung unterzeichnet, es greift dann automatisch die Auffangregelung der SE-Richtlinie. Es ist der zweite Fall nach den Rheinischen Kunststoffwerken im Oktober 2008 (siehe Bericht in den EBR-News 4/2008), in dem SE-Verhandlungen gescheitert sind. Am 11. April 2016 konstituierte sich am Sitz der Werft ein SE-Betriebsrat "kraft Gesetz".

 

Bericht über die konstituierende Sitzung

 



Versandhändler vermeidet Arbeitnehmer im Aufsichtsrat


Das Handelsunternehmen für Baby- und Kinderartikel Windeln.de, 2010 in München mit Unterstützung von Finanzinvestoren gegründet, wächst sehr stark und bereitet sich auf den Börsengang vor. Derzeit hat es 490 Arbeitnehmer in Deutschland, ab 500 wäre ein Drittel des Aufsichtsrates von der Arbeitnehmerseite zu besetzen. Um dies auf Dauer zu vermeiden, war bei der SE-Umwandlung Eile geboten.

 

Am 22. Februar 2016 konstituierte sich in München das Besondere Verhandlungsgremium (BVG) aus 13 Mitgliedern, darunter neun aus Deutschland, zwei aus Tschechien und je eines aus Italien und Spanien. Noch am gleichen Tag wurde eine SE-Beteiligungsvereinbarung geschlossen (vermutlich auf einem vorbereiteten Text des Arbeitgebers beruhend), die eine Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat auf Dauer ausschliesst. Eine derart kurze Verhandlungsdauer gab es im Dezember 2014 auch beim Softwarehersteller GFT Technologies in Stuttgart (siehe Bericht in den EBR-News 2/2015).

 

Für den SE-Betriebsrat von Windeln.de gelten sehr restriktive Regeln: er ist nur zuständig, wenn mehr als 10% der europäischen Belegschaft von einer Massnahme betroffen ist. Anspruch auf Schulungen hat nur ein einziges seiner Mitglieder, und auch nur dann, wenn die notwendigen Fachkenntnisse nicht auf andere Weise, z. B. durch Fachliteratur, erworben werden können. Die jährliche Plenarsitzung und Sitzungen des geschäftsführenden Ausschusses finden als Telefon- oder Videokonferenzen statt. Nur wenn die zentrale Leitung ausdrücklich zustimmt, kann eine Sitzung in München einberufen werden. Derzeit ist das Unternehmen mit knapp 600 europäischen Beschäftigten noch relativ überschaubar. Die SE-Vereinbarung gilt jedoch auch dann weiter, wenn in großem Stil Versandhändler in anderen EU-Mitgliedsländern aufgekauft werden, was von der zentralen Leitung und den Finanzinvestoren nach dem Börsengang ausdrücklich angestrebt wird. Die Eintragung der SE erfolgte am 31. August 2016.

 

Pressemitteilung zur SE-Umwandlung

Der Umwandlungsbericht im Wortlaut

Die SE-Beteiligungsvereinbarung im Wortlaut (siehe ab Seite 35)

 



Familienunternehmen vermeidet paritätischen Aufsichtsrat

 

Am 8. Juni 2016 wurde für Wittenstein, ein Hersteller von Getriebesystemen, eine SE-Mitbestimmungsvereinbarung geschlossen. Das Familienunternehmen hat seinen Sitz in Igersheim (Baden-Württemberg). An acht Standorten in Deutschland gibt es über 1.600 Beschäftigte und in den nächsten Monaten kommen 200 hinzu. Gesetzlich ist ab 2.000 Arbeitnehmern in Deutschland ein Aufsichtsrat mit paritätischer Besetzung vorgeschrieben. Mit Eintragung der SE im Handelsregister am 29. September 2016 ist dies für Wittenstein nicht mehr notwendig. Der Aufsichtsrat besteht wie bisher zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern (zwei von sechs Sitze).

 

Im Besonderen Verhandlungsgremium (BVG) hatte Deutschland, das mehr als 90% der europäischen Belegschaft repräsentiert, zehn Sitze und acht weitere Länder je einen Sitz. Keines dieser Länder hat mehr als 50 Beschäftigte. Der künftige SE-Betriebsrat bezieht nicht nur EU-Länder, sondern auch die Schweiz und die Türkei mit ein. Das Vereinigte Königreich wird auch nach einem Brexit dort vertreten bleiben. Eine Besonderheit ist die Öffnung über Europa hinaus: die Belegschaften in den USA, China und Japan können später dem SE-Betriebsrat beitreten.

 

Pressemitteilung zur SE-Umwandlung

  9. Der Blick über Europa hinaus

Italienischer Ölkonzern gründet Weltbetriebsrat


Am 6. Juli 2016 wurde in Barcelona zwischen drei italienischen Gewerkschaften, dem Dachverband industriALL und der zentralen Leitung von Eni ein internationales Rahmenabkommen erneuert. Der ehemalige Staatskonzern hatte 2002 erstmals ein solches Abkommen geschlossen, das jetzt qualitativ erheblich verbessert wurde. Es gilt für 33.000 Beschäftigte in 65 Ländern weltweit. Zur Überwachung wird ein Komitee installiert, das sich einmal jährlich trifft und dem fünf Mitglieder des Europäischen Betriebsrates und fünf Arbeitnehmervertreter aus anderen Teilen der Welt angehören.

 

Überblick über die Inhalte der Abkommens

Das Rahmenabkommen im Wortlaut

 



Deutsche Post beendet Blockade


Am 19. Juli 2016 unterzeichnete die zentrale Leitung von DHL, der weltweit tätigen Pakettochter der Deutschen Post, erstmals ein Protokoll mit zwei internationalen Gewerkschaftsverbänden. Darin bekennt sich das umsatzstärkste Logistikunternehmen der Welt zur Achtung der OECD-Richtlinien und zu einem sozialen Dialog mit den Gewerkschaften auch über Europa hinaus. Dazu gehört das Recht auf kollektive Interessenvertretung in allen Standorten weltweit. Die soziale Verantwortung gilt auch für die Zulieferkette. Bei Beschwerden sieht das Protokoll einen Mechanismus zur Konfliktlösung vor. Jahrelang stand die Konzernleitung wegen ihrer Personalpolitik außerhalb Europas in der Kritik. Erst eine Intervention der deutschen Bundesregierung konnte das Management überzeugen, seine Blockade gegen ein solches Abkommen aufzugeben.

 

Bericht über das Abkommen

 



Konsumgüterkonzern übernimmt soziale Verantwortung

 

Am 27. September 2016 wurde am Sitz von Tchibo in Hamburg ein internationales Rahmenabkommen zwischen Konzernleitung und dem Gewerkschaftsdachverband industriALL abgeschlossen. Der ehemalige Kaffeekonzern mit weltweit 12.500 Beschäftigten ist bereits mehrfach für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung ausgezeichnet worden. Künftig wird Tchibo weltweit im Non-Food-Bereich und entlang der gesamten Zulieferkette die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Bildung von Arbeitnehmervertretungen fördern.

 

Bericht von der Unterzeichnung

Das Rahmenabkommen im Wortlaut

  10. Interessante Webseiten

Sozialcharta leicht verständlich


Seit 1965 ist die Europäische Sozialcharta in Kraft, ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen über soziale Rechte der 47 Mitgliedsstaaten des Europarates. Ihm gehören außer Weißrussland, dem Kosovo und dem Vatikan alle europäischen Staaten an. Von der Schweiz wurde die Sozialcharta allerdings nicht ratifiziert. Der Europarat informiert auf seiner Webseite über die Inhalte der Sozialcharta und über aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich.

 

Die Webseite zur Sozialcharta

 



Soziale Gerechtigkeit in Europa


Das Netzwerk Solidar in Brüssel, dem 60 Nichtregierungsorganisationen aus 27 Ländern angehören, hat mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission eine Webseite zu sozialen Themen erstellt. Für 14 Länder sind dort jährliche Fortschrittsberichte ("Social Progress Watch") abrufbar. Es gibt aktuelle Fallstudien zu Beschäftigungsinitiativen, Migration und ein Toolkit für Strategiegruppen.

 

Überblick über die Berichte und Studien

Der Social Progress Watch

 



Kritische Stimmen zum Brüsseler Lobbyapparat


Die Allianz für Lobbytransparenz und Ethikregeln (ALTER-EU), ein Zusammenschluss von mehr als 200 Interessengruppen und Gewerkschaften, kritisiert den wachsenden Einfluss von Unternehmenslobbyisten auf die politische Agenda in Europa. Daraus resultiere ein Verlust an Demokratie. Verzögerungen oder gar Blockaden bei dringend benötigten sozialen, ökologischen oder Verbraucherschutzreformen seien die Folge.

 

Die Webseite der Allianz

 



Gewerkschaftsgeschichte kompakt


Ein neues Internetportal zur Geschichte der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland bietet eine umfassende Darstellung über die einzelnen Epochen seit 1830. Es wurde gemeinsam von der Hans-Böckler- und der Friedrich-Ebert-Stiftung erstellt. Auch thematische Schwerpunkte sind abrufbar, z. B. zur Geschichte der Mitbestimmung.

 

Die Webseite zur Gewerkschaftsgeschichte

  11. Neue Publikationen

EBR-Leitfaden der Nahrungsmittel- und Tourismusgewerkschaften


Auf der jährlichen Konferenz des europäischen Gewerkschaftsverbandes EFFAT mit den EBR-Verantwortlichen der nationalen Einzelgewerkschaften am 31. Mai 2016 in Venedig wurde diese neue Broschüre vorgestellt. Sie zielt darauf, die Zusammenarbeit zwischen Europäischen Betriebsräten und den Gewerkschaften im Nahrungsmittel- und Tourismusbereich zu stärken. Neben einem Überblick über den rechtlichen Rahmen sind Fallbeispiele aus neun verschiedenen Unternehmen enthalten. Weiterhin werden Prinzipien für die Aushandlung von EBR-Vereinbarungen erläutert und Werkzeuge für die Verbesserung von EBR-Aktivitäten präsentiert. Auch einige Politikbereiche, mit denen sich Europäische Betriebsräte in der Praxis beschäftigen, werden genauer dargestellt, z. B. arbeitsbezogener Stress, prekäre Arbeit, soziale Unternehmensverantwortung. Ein eigenes Kapitel widmet sich dem Thema der transnationalen Restrukturierungen.

 

Download des Leitfadens

 



Praktische Bewertung der EBR-Richtlinienrevision

 

Im Juni 2016 hat das Europäische Gewerkschaftsinstitut (ETUI) in Brüssel diese Auswertung über die Erfolge der 2009 überarbeiteten EBR-Richtlinie für die Unternehmenspraxis vorgelegt. Sie basiert auf der umfangreichen und ständig aktualisierten Sammlung von Vereinbarungstexten, die das Institut in seiner EBR-Datenbank verfügbar hat. Die Erkenntnisse sind ernüchternd. So wurde das Ziel der Richtlinienrevision verfehlt, wonach es zahlenmäßig mehr und qualitativ bessere Europäische Betriebsräte geben sollte. Auffallend ist die hohe Zahl von "freiwilligen" Alt-Vereinbarungen, die nach wie vor nicht der EU-Richtlinie unterliegen. Dies betrifft immer noch 42% aller Europäischen Betriebsräte. Selbst bei strukturellen Änderungen des Unternehmens wird von der neuen Klausel, dem Rechtsanspruch auf Neuverhandlung auf Basis der neuen EU-Standards, nur selten Gebrauch gemacht.

 

Download der Studie
Die EBR-Datenbank

 



Leitfaden zu drei Kernproblemen im Europäischen Betriebsrat


Ende Juni 2016 ist dieser Leitfaden erschienen, der sich mit drei sensiblen Punkten in der Arbeit von Europäischen Betriebsräten beschäftigt. Er ist das Ergebnis mehrerer Workshops, an denen insbesondere EBR-Verantwortliche auf Managementseite teilgenommen haben. Das Projekt wurde von Partnern aus Frankreich und aus den Niederlanden im Auftrag eines europäischen Arbeitgeberverbandes und mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission organisiert. Bei den drei Themen handelt es sich um die Bestimmung des länderübergreifenden Charakters einer Maßnahme, um die konkrete Durchführung des Unterrichtungs- und Anhörungsverfahrens des EBR in Verbindung mit den nationalen Arbeitnehmervertretungen und um die Handhabung vertraulicher Informationen. Die Studie liegt in vier Sprachen vor.

 

Download des Leitfadens

Download der übrigen Sprachversionen

 



Jetzt erst recht – auf nach Großbritannien


Seit dem Brexit-Referendum hat sich weder an der EU-Mitgliedschaft noch dem wirtschaftlichen Austausch etwas geändert. Vermutlich wird sich auch nichts ändern. Umso wichtiger ist das interkulturelle Verständnis zwischen Deutschen und Engländern. Dieser Ratgeber ist im Juli 2016 erschienen und richtet sich an Manager, aber auch Betriebsräte können eine Menge daraus lernen. Er ist in Trainingseinheiten aufgebaut und illustriert Situationen, die zwischen Deutschen und Engländern schnell zu Mißverständnissen führen. Wie kommt es, dass die Entscheidungsfindung in englischen Unternehmen derart anders erfolgt? Wieso wechseln Briten das Thema, wenn sich Deutsche erst richtig dafür begeistern? Das Buch beleuchtet Unterschiede bei Selbstdisziplin und Pragmatismus, bei den Ritualen des Alltags und im Beruf, bei der größeren oder weniger großen Distanz im Umgang miteinander. Deutsche Leser erfahren auch, wann und wo in England eine ritualisierte Regelverletzung geduldet wird.

 

Weitere Informationen mit Leseprobe

Online-Bestellung

  12. Die EWC Academy: Beispiele aus unserer Arbeit

Automobilzulieferer vor der EBR-Fusion


Vom 22. bis 24. Juni 2016 tagte das Plenum des Europäischen Betriebrates von TRW Automotive in Kaarst (bei Düsseldorf). Der US-Konzern wurde im Mai 2015 vom drittgrößten deutschen Autozulieferer ZF Friedrichshafen gekauft und hat seinen eigenen EBR (siehe Bericht in den EBR-News 3/2014). Die EWC Academy präsentierte in dieser Sitzung einen Vergleich der Vereinbarungstexte von TRW und ZF, um eine Grundlage für die bevorstehenden Verhandlungen über die Fusion der beiden EBR-Gremien zu schaffen. Bereits 2013 gab es bei ZF Friedrichshafen Überlegungen, den Text der EBR-Vereinbarung aus dem Jahr 2000 zu aktualisieren (siehe Bericht in den EBR-News 1/2013).

 



EBR-Schulung für britisch-amerikanische Versicherung


Vom 12. bis 14. September 2016 fand eine Plenarsitzung des Europäichen Betriebsrates von Aon in Krakau statt. Die EWC Academy führte eine Schulung über die Arbeitsbeziehungen in Europa und über die Merkmale eines Unterrichtungs- und Anhörungsverfahrens durch. Der größte Versicherungsmakler der Welt verfügt seit 2009 über einen EBR. Obwohl Aon 2012 sein Hauptquartier von Chicago nach London verlegte, basiert die 2013 aktualisierte EBR-Vereinbarung nicht auf britischem, sondern auf niederländischem Recht. Die neue EU-Richtlinie ist vollständig anwendbar.

 



Schulung für französischen Computerhersteller


Vom 20. bis 23. September 2016 führte die EWC Academy in Toulouse eine Schulung für das erweiterte Präsidium des Europäischen Betriebsrates von Bull durch. Den EBR gibt es bereits seit 1988. Bull ist das zweite Unternehmen in ganz Europa, das so früh schon einen EBR gebildet hatte. Auf dem Programm des Seminars standen die Arbeitsbeziehungen der EU-Länder, eine Analyse betriebswirtschaftlicher Daten und ein Besuch im Airbus-Werk von Toulouse. Im Mai 2014 wurde Bull vom französischen IT-Dienstleistungskonzern Atos übernommen. Der EBR von Bull wird daher bald aufgelöst und in den SE-Betriebsrat von Atos integriert, den es seit 2013 gibt (siehe Bericht in den EBR-News 1/2013).

  13. Aktuelle Seminartermine

Die EWC Academy und ihre Vorläuferorganisation führt seit Januar 2009 Tagungen und Seminare für Mitglieder von Europäischen Betriebsräten, SE-Betriebsräten und Besonderen Verhandlungsgremien durch. Bisher haben daran 687 Arbeitnehmervertreter aus 250 Unternehmen teilgenommen, viele von ihnen auch mehrfach. Das entspricht etwa 20% aller transnationalen Betriebsratsgremien in Europa. Hinzu kommen zahlreiche Inhouse-Veranstaltungen und Gastvorträge bei anderen Veranstaltern.

 

Überblick über die bevorstehenden Seminartermine

 



Juristischer EBR-Workshop


Vom 26. bis 28. Oktober 2016 findet wie jedes Jahr unser juristischer Workshop zum EBR-Recht statt, diesmal in Dresden. Es geht dort um juristische Feinheiten einer EBR-Vereinbarung, Rechtsprechung zum EBR und um die Anwendung der neuen EU-Standards in juristischen Zweifelsfällen. Einer der Referenten ist Ralf-Peter Hayen, Referatsleiter beim DGB-Bundesvorstand in Berlin und profunder Kenner der Materie.

 



Sprachkurs: Business-Englisch für Betriebsräte

 

20. bis 25. November 2016 in Dublin

 

Weitere Informationen über unsere Sprachkurse

 

Das genaue Programm kann bei uns angefordert werden.

 



9. Hamburger Fachtagung für Europäische und SE-Betriebsräte


Wie jedes Jahr findet im Januar eine zweitägige Fachtagung statt.

 

Montag, 30. Januar 2017: Aktuelle Trends in der EBR-Landschaft mit Praxisbeispielen, Auswirkungen des Brexit auf Euro-Betriebsräte

 

Dienstag, 31. Januar 2017: Kurzseminar zur Arbeitnehmervertretung im Vereinigten Königreich oder zum EU-Arbeitsrecht (nach Wahl)

 

Rückblick: Bericht von der Hamburger Fachtagung 2012

 



EBR-Seminare auf Schloss Montabaur (auch für SE-Betriebsräte geeignet)


Vom 18. bis 21. April 2017 findet unser jährliches Seminar in Montabaur statt (auf halbem Weg zwischen Frankfurt und Köln, am ICE-Bahnhof). Die folgenden Themen werden parallel angeboten:

  • EBR-Schnuppertage (für Einsteiger)
  • Von einer Kinoveranstaltung zum vollwertigen Konsultationsorgan (für Fortgeschrittene)

Bericht von diesem Seminar im April 2012

 



Inhouse-Veranstaltungen


Eine Übersicht über mögliche Themen für Inhouse-Veranstaltungen finden Sie hier:

 

Themen für Inhouse-Seminare

  14. Impressum

Die EBR-News werden herausgegeben von:

EWC Academy GmbH
Rödingsmarkt 52, D-20459 Hamburg
www.ewc-academy.eu

Verteiler der deutschsprachigen Ausgabe: 20.308 Empfänger
Verteiler der englischsprachigen Ausgabe: 3.574 Empfänger
Verteiler der französischsprachigen Ausgabe: 3.455 Empfänger

Newsletter-Archiv: www.ebr-news.de

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Bitte schreiben Sie uns: info@ewc-academy.eu

 

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